Anläßlich der Eröffnung der Ausstellung Re_stART #graz2020 (online, verlesen von Beatrix Brunschko, TiB)
Als wir 2018 damit begannen, das Projekt Re_stART zu konzipieren, stand eine gehörige Portion Ärger und Fassungslosigkeit Pate. Wir kannten viele Menschen aus den Jahren unserer Arbeit, die kreativ-künstlerisch tätig und engagiert waren und doch hier in Graz, in ihrer neuen Heimat, mit nichts anderem beschäftigt waren, ihr alltägliches Leben zu meistern. Weil ihre Ausbildungen, ihre Fähigkeiten nichts mehr wert waren, weil sie keine adäquaten Jobs bekamen, weil sie um Anerkennung kämpften, weil ihnen Freundschaften und Netzwerke fehlten.
Wir wollten mit Re_stART #Graz 2020 eine Plattform bieten, damit sie zeigen konnten, welch große Potenziale in ihnen stecken und was wir als Gesellschaft ignorieren und brach liegen lassen.
Beim „Kulturjahr 2020“ dabei sein zu dürfen, löste bei uns große Freude aus. Wir waren uns aber auch der Verantwortung bewusst, die damit einher ging. Wir machten uns ans Werk, sprachen dutzende Vereine, Organisationen und Einzelpersonen an und ermutigten sie, sich zu beteiligen. Wir erhielten viel Zuspruch und Unterstützung. Zahlreiche Teilnehmer*innen bewarben sich. Corona stoppte im März 2020 unseren Tatendrang.
Erst im Juni 2020 konnte eine Jury sich wieder treffen und aus der Vielzahl an Bewerber*innen eine Gruppe von 11 Künstler*innen auswählen, die Sie mit ihren Werken im Graz Museum jetzt sehen können. Ein großer Dank an die Jury, sie haben das richtig gut gemacht.
Anfangs weiß man ja nie, wie so ein Experiment wirklich ausgehen wird. Wenn wir nunmehr davorstehen, können wir sagen, es hat alle unsere Erwartungen übertroffen.
Die Werke in der Ausstellung machen uns deutlich, wie viel wir eigentlich nicht wissen: Über uns, unsere Stadt, unser Verhalten.
Gäbe es Re_stART nicht, hätten wir nicht erfahren, dass Graz für viele geflüchtete Menschen ein erträumter Hafen der Sicherheit und eine neue Heimat ist, ein Platz wo man bleiben möchte. Wir würden längst vergessen haben, dass eine Sonnenuhr auf den Reininghaus-Gründen stand, die einfach abgerissen wurde; dass Kunstformen und -handwerk in Graz praktiziert werden, die auf Jahrhunderte alte Traditionen zurückgehen und dass es Blicke auf Graz gibt, die wir schon längst nicht mehr bemerken. In der Ausstellung finden sich zahlreiche solcher kleinen Beweise.
Es ist uns gelungen, einmal für kurze Zeit den Makel der „Migrationsbiografie“ umzukehren und zu einem Vorteil und einer Kompetenz umwandeln. Das war es wert.
Morgen, wenn die Freude, über die Ausstellungseröffnung vorbei ist, werde ich wieder ein wenig ratlos sein, weil Re_stART etwas Außergewöhnliches bleibt, weil das Projekt eben nicht Normalität darstellt. 11 Künstler*innen, aus unterschiedlichsten Gründen in Graz gelandet, packten ihre Fähigkeiten aus und rückten die Stadt ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und zeigten uns damit, dass es auch anders ginge. Das sollten sie öfters tun können, auch und vor allem für uns.
Weitere Informationen zum Projekt sind auf der Homepage von Jukus zu finden.
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