I.
Meterhoch die Wellen vor mir,
verstellen mir die Sicht auf den Horizont.
Ich suche nach einer Hand,
doch das Universum ist groß und breit.
- Songausschnitt “auf dem weg”
Mehr als drei Monate hatte ihre Reise gedauert, aus dem Iran nach Graz. Über die Berge, durch die Türkei, mehr wollte sie nie erzählen. Sie saß in Schubhaft, mit ihren drei Kindern und sollte am nächsten Tag abgeschoben werden. Durch Gitterstäbe sah ich sie zum ersten Mal. Sie stand in einem kahlen, kalten Vorraum zum Besucherraum.
An ihrem rechten Bein klammerte sich ihre vierjährige Tochter, die mit großen braunen Augen die düstere Gefängnis-Welt um sich wahrnahm. Als sie mich ansah, – zuerst skeptisch, dann auf mein Augenzwinkern reagierend offener – ging an diesem tristen Ort die Sonne auf und ich wusste, ich musste es schaffen, dass sie hier bleiben konnten.
Zeiten, in der die Koordinaten unserer Gesellschaft verloren gehen: Soziale Sicherheit, Solidarität, Demokratie/Menschenrechte, Frieden. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen werden immer menschenfeindlicher.
Und in diesem Furor wird uns die Last aufgebürdet, alleine zu Recht zu kommen. Oft glauben wir es ja selbst, dass wir es schaffen können, im immer schärfer werdenden Konkurrenzkampf bestehen zu können. Denn es wird uns eingetrichtert: „Wir sind selbst schuld, wir sind fehlbar und schwach, wir müssen einfach nur besser, schneller, effizienter und multitaskingfähiger werden und und und…
II.
Sie kam an ihre Grenzen an.
Sie kamen an ihre Grenzen ran.
Sie kamen an seine Grenzen an.
Sie kamen an unsere Grenzen ran.
- Songausschnitt „an den Grenzen ran“
Plötzlich war der Weg nicht mehr so unendlich. Wir saßen gemeinsam in einem Raum, nachdem ich sie gedrängt hatte, mitzukommen. Dutzende Leute waren da und hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie sie. Sie saß neben mir und konnte sich plötzlich unterhalten, ohne DolmetscherInnen oder in ihrem mühevollen Deutsch – für sie immer eine Fremdsprache. Sie hatte Landsleute getroffen. Es war ein glücklicher Tag für sie. Sie konnte sich Infos holen, wie sie tun sollte, wenn ihre Kleine in die Schule kam.
Das wir fehlbare Wesen sind, das ist unbestritten, aber oft liegt es nicht an uns; im Gegenteil. Oft liegt es an den Strukturen, an den Regeln, die wir befolgen sollen, unter denen wir arbeiten und kommunizieren, die uns vorgegeben werden und die sich oft verselbständigt haben und wir wissen gar nicht mehr, warum das so sein soll.
Die nicht uns Menschen dienen, sondern dem Profit, der Effizienz, der Außenwirkung …. Sie zu erkennen, sie in unsere Überlegungen mit einzubeziehen hilft und ist oft der Schlüssel für Lösungen. Doch aus diesem Rad auszusteigen fällt nicht immer leicht.
III.
but you climb the ladder
don´t know where´s to go
but you climb the ladder
to find a better place
- Songausschnitt “amidst the desert”
Sie sagte uns, wir sollten doch die Form, die Regeln und den Raum ändern, denn Beratung würde je nach KlientInnengruppe anders und unterschiedlich aussehen müssen. Wir staunten zuerst nicht schlecht. Aber als wir ihrem Rat folgten, sahen wir, dass sich die Situation bei allen Beteiligten rasch entspannte. Die Norm, wie etwas zu sein hatte, war plötzlich nicht mehr so wichtig, das Ergebnis war entscheidend, die Beziehung zueinander .
Nachhaltige Lösungen für Menschen liegen oft darin, die Isolation zu beenden, sich auszutauschen und zu verbünden; uns gegenseitig zu stärken, an uns und an das Gegenüber zu glauben, es wertzuschätzen und die gleiche Unterstützung zu holen, wie wir ihnen die unterstützung geben können. wir müssen trachten, den Druck auf sich selbst und auf die anderen zu verringern, dann ist es phantastisch, was sich alles löst und verbessert. Dann beginnen sich Verhaltensmuster, Normen und Regeln zu verändern, die uns umgeben und die selten die unseren sind.
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